»Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken«
Forschung und digitale Angebote zu Verurteilten sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Sachsen
Dr. Bert Pampel
Am 7. November 1995 wurde im Nordosthof des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses am Münchner Platz in Dresden ein Denkmal für die »zu Unrecht Verfolgten nach 19451 eingeweiht, gestaltet vom Bildhauer und ehemaligen Inhaftierten Wieland Förster.
Die Gedenkstätte am Münchner Platz, ursprünglich auf den kommunistischen antifaschistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus fokussiert, umfasst seit der Friedlichen Revolution 1989/90 auch das Gedenken an die in der Nachkriegszeit wie Förster von der sowjetischen Militärjustiz Verurteilten und die Erforschung ihrer Biografien.
Anfangs dominierten in der öffentlichen Wahrnehmung Narrative von »unschuldigen Opfern der stalinistischen Gewaltherrschaft«. Die bisherige Forschung brachte jedoch ein differenzierteres Bild dieser Verfolgtengruppe hervor.
Der aktuelle Stand bei Forschung und Quellen
Die Erforschung der Praxis sowjetischer Militärtribunale (SMT) wurde in den 1990er und 2000er Jahren durch Projekte am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden entscheidend vorangetrieben. Eine wissenschaftliche Untersuchung zu Dresdner SMT-Verurteilten erweitert seit 2020 die Kenntnisse auf regionaler Ebene.
Konsens besteht darüber, dass die SMT in der SBZ und frühen DDR zur Ahndung von NS- und Kriegsverbrechen, zum Schutz sowjetischer Truppen und zur Bekämpfung von Gegnern der kommunistischen Transformation dienten. Während die Legitimität der Strafverfolgung von NS-Verbrechen unstrittig ist, werden deren Ergebnisse unterschiedlich bewertet.
Ein großes Problem bleibt der begrenzte Zugang zu sowjetischen Quellen. Ermittlungsakten waren bis 2020 nur begrenzt einsehbar und sind seit dem Krieg in der Ukraine nahezu unzugänglich. Zudem sind Aussagen von Verhafteten, die oft unter Folter erzwungen wurden, besonders quellenkritisch zu bewerten.
Deutsche Archivquellen, wie Unterlagen des DDR-Innenministeriums und der Staatssicherheit, sowie persönliche Berichte sind daher für die Forschung unverzichtbar.
Die Tätigkeit sowjetischer Militärtribunale in der SBZ/DDR und in Sachsen
Die sowjetischen Militärtribunale (SMT) hatten ihre rechtlichen Grundlagen in den 1920er Jahren, wobei ihre Zuständigkeit 1934 über Militärangehörige hinaus ausgeweitet wurde. 1941 erhielten die Tribunale die Befugnis, sämtliche Straftaten gegen die Verteidigung, öffentliche Ordnung und Staatssicherheit zu verfolgen. Mit dem Vorrücken der Roten Armee auf deutsches Gebiet wurde ihre Zuständigkeit auch auf deutsche Zivilisten ausgedehnt.
Zwischen 1945 und 1955 verurteilten die SMT schätzungsweise 70.000 Deutsche, darunter etwa 40.000 Zivilisten. Von diesen Verurteilungen betrafen rund 25 Prozent Zivilisten aus Sachsen. Sie standen zunächst vor allem vor den Militärrichtern der sowjetischen Armeen und Divisionen, die in Sachsen stationiert waren.
1946 nahm das Militärtribunal der Sowjetischen Militäradministration in Sachsen seine Arbeit in Dresden, Bautzen, Chemnitz, Zwickau und weiteren sächsischen Orten auf. Daneben war das Militärtribunal der Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland für Verurteilungen an verschiedenen Standorten in der gesamten Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR zuständig.
Nach 1950 war dieses Gericht das einzige in der DDR mit der Befugnis, Todesurteile zu verhängen. Bis zur vorübergehenden Abschaffung der Todesstrafe am 26. Mai 1947 wurden diese an den Gerichtsorten oder in deren Umgebung vollstreckt. Nach Wiedereinführung der Todesstrafe in der Sowjetunion am 12. Januar 1950 wurden Verurteilte aus der DDR nach Moskau deportiert und im Butyrskaja-Gefängnis hingerichtet.
Verurteilte zu Freiheitsstrafen, die in »Besserungsarbeitslagern« verbüßt werden mussten, wurden häufig in sowjetische Speziallager wie Torgau oder Bautzen geschickt oder in DDR-Haftanstalten wie Bautzen oder Waldheim inhaftiert. Rund 7.000 SMT-Verurteilte wurden zur Strafverbüßung in die Sowjetunion deportiert.
Eine Besonderheit in Sachsen waren Verurteilungen im Zusammenhang mit dem Uranabbau im sowjetisch geführten Bergbauunternehmen Wismut.
Tatvorwürfe und Zeiträume
Die Tatvorwürfe bezogen sich auf drei Perioden:
- NS-Zeit: Ahndung von Verbrechen gegen sowjetische Bürger, etwa die Misshandlung von Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern sowie Massaker in der Endphase des Zweiten Weltkriegs.
- Kriegsende und Nachkriegszeit: Bekämpfung von NS-Untergrundgruppen und illegalem Waffenbesitz.
- Zeit der SBZ und frühen DDR: Verfolgung von Regimekritik, antisowjetischen Äußerungen, Verbreitung oppositioneller Flugblättern, westlicher Spionage und weiteren Aktivitäten gegen die kommunistische Umgestaltung. Die SMT waren ein zentrales Instrument der sowjetischen Besatzungsmacht zur Durchsetzung politischer und gesellschaftlicher Veränderungen.
Digitale Vermittlungsangebote
Die Dokumentationsstelle Dresden befasst sich mit der Erschließung und wissenschaftlichen Auswertung personenbezogener Unterlagen zu SMT-Verurteilten sowie der Vermittlung der Ergebnisse an die Öffentlichkeit. Über die Online-Datenbanken können Daten rehabilitierter oder zum Tode verurteilter Personen recherchiert werden. Ergänzend gibt es zwei spezialisierte Websites:
- www.smt-dresden.de: Dieses Portal entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Urteilen sowjetischer Militärtribunale in Dresden. Es umfasst etwa 1.500 Einträge mit Personendaten, Verfolgungsinformationen, Fotografien und Archivdokumenten. Über 60 Verurteilte werden in detaillierten Kurzbiografien vorgestellt. Die Inhalte werden kontinuierlich erweitert.
- www.verurteiltundvergessen.de: Ein virtueller biografischer Geschichtsatlas, der sich auf ca. 300 rehabilitierte SMT-Verurteilte konzentriert. Etwa die Hälfte wird in Kurzbiografien dargestellt, ohne Vollständigkeitsanspruch und über Sachsen hinausreichend. Ziel ist es, den politisch Verfolgten ein Gesicht zu geben, während Unterstützer des NS-Regimes ausgeschlossen bleiben.
Beide Portale machen die gesammelten Informationen öffentlich zugänglich und bieten Einblicke in die Lebenswege der Verurteilten, etwa durch Karten mit Stationen ihrer Verfolgung. Beide Projekte werden laufend aktualisiert und erweitert.
Fazit
Knapp 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution kann der Forschungsstand zur sowjetischen Militärjustiz in Sachsen zwischen 1945 und 1953 als befriedigend bewertet werden. Es besteht Konsens, dass die sowjetischen Militärtribunale (SMT) primär der Absicherung des Besatzungsregimes und der Transformation zur kommunistischen Diktatur dienten, anstatt vorwiegend »Nazi- und Kriegsverbrecher« zu verfolgen.
Jedoch sind regionale und lokale Praktiken sowie mögliche Besonderheiten in Sachsen kaum erforscht. Angesichts des begrenzten Zugangs zu russischen Archiven und der wenigen noch lebenden Zeitzeugen gewinnt die Untersuchung von Quellen in deutschen Archiven an Bedeutung. Die Erinnerung an die Unrechtsjustiz der SMT und ihre Opfer muss durch Forschung und Dokumentation wachgehalten werden, um eine fundierte Wissensbasis zu sichern.